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Tag 17- von Arcen nach keerson
Gut gelaunt geht es nach dem gestrigen Ruhetag wieder auf die Straße. Nachdem ich ja die offizielle Morgenfütterung vom Vortag verschlafen habe, bin ich begeistert von dem mehr als reichhaltigen und liebevoll arrangierten Frans-Frühstück. Neben dem Glas O-Saft und frischen Erdbeeren, Joghurt, gekochtem Ei, Wurst-, Käseteller und Tomaten-Gurken-Teller gibt es für jeden vier Brötchen und zwei Crossiants!! Liebe B&B’s / Pensionen in Deutschland: SO geht Service. Und Frans hat uns auch noch großzügige Streifen Alu-Folie und einen Brotbeutel hingelegt mit der Bemerkung, wir sollen uns Brötchen für die Tour schmieren. Ach, Frans, du gute Seele. Als ob du geahnt hast, dass diese Käsestullen am späteren Nachmittag quasi unsere Beziehung retten werden. Wer noch definitiv zu erwähnen ist: Das Pärchen neben uns am Frühstückstisch, das sich mit den Worten vorstellt, gemeinsam 140 Jahre alt zu sein. Sie sehen keinen Tag älter als 125 gemeinsame Jahre aus. Sehnsüchtig schiele ich zu ihrem Brötchenkorb, denn sie haben zwei von den dunklen, rustikalen Baguette-Brötchen, wir leider keines. Der winzige Fressneid hält die komplette Futterstunde und wäre auch am Ende belohnt worden, wenn ich mich letztlich nicht zu sehr geschämt hätte, das angebotene Baguette zu nehmen. Weil, ich habe nämlich vorher unseren fast unberührten Wurstteller rübergereicht. Und damit eine freundliche Gegengeste quasi provoziert. Was soll’s. So ein bisschen Verzicht üben kann eigentlich nicht schaden. Die beiden Niederländer jedenfalls tauen sehr schnell auf. Die männlichen 70 Jahre sprechen sehr gut Deutsch – hat er in den 1960er Jahren als Pfleger bei seinem einjährigen Berlinaufenthalt gelernt. Als die Mauer gebaut wurde, musste er zurück in die Niederlande und wiederholt einige Male in leichtem Singsang, er habe noch einen Koffer in Berlin. Wir vermuten, dass er seinen Traum, nochmal nach Berlin zu fahren, in diesem Leben nicht mehr realisieren wird. Einfach weil er lieber regelmäßig zu Frans fährt. Was wir durchaus verstehen, denn Arcen ist ein reizendes Städtchen (Frans sagt, es sei Dorf). Während er erzählt, fallen ihm immer mehr deutsche Worte ein, was ihn offensichtlich entzückt. Nachsichtig, dabei durchaus sehr liebevoll wird er von seiner Frau belächelt, die sich aus dem Gespräch weitgehend zurückhält. Nicht etwa, weil sie weniger gut deutsch spricht, sondern weil sie mit großem Genuss auch noch größerer Langsamkeit ein drittes Milchbrötchen mit Butter und Marmelade kaut. Herrgottnochmal, sind die Beiden reizend. Sie bewundern unsere bisherige Fahrleistung und weiteren Pläne mit mehr als großen Augen und noch größerem Respekt. Und wünschen uns zum Abschied eine gute und sichere Fahrt.
Frans zu begegnen war einer dieser wunderbaren Zufälle, die es ja genau genommen nicht gibt. Wir empfehlen JEDEM sich wenigsten für eine Nacht im Café B&B Rayer Catering, Diner en Meer, Kerkstraat 2Qa Am Arcen einzuquartieren. Wir holen uns bei Frans noch ein paar Tipps für die Niederlande ab und starten die Strecke mit unserer ersten Fährfahrt über die Maas. Eine kleine elektrische, nur von Solarzellen angetriebenen Fähre, transportiert lediglich Radler, oder, wie sie in den Niederlanden heißen, Fietsen und Fußgänger. Heute ist Sonntag und die Niederlande sind geschlossen auf irgendwelchen Zweirädern unterwegs. Sind es keine Fahrräder (Fietsen), sind es eben Motorräder (Bromfietsen) oder irgendwas dazwischen. Auf jeden Fall sind es Tausende, denen wir heute begegnen und das Wetter lädt auch dazu ein.
Unsere erste Etappe führt uns nach Horst. Ich habe noch keine Karte für die Niederlande und nur mit dem Navi wird das ein schwieriges Unterfangen. Die Radwege sind hier nur selten mit Stadtnamen bezeichnet, sondern tragen nicht ganz nachvollziehbare Nummern. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis ich das System der Knotenpunkte durchschaue und mich vor allem damit anfreunde. Aber auch wenn Supermärkte am Sonntag geöffnet haben, einen offenen Buchladen haben wir nicht gefunden, um eine Radkarte unserer holländischen Freunde zu erwerben. Uns fällt aber auf: In den Niederlanden sind die meisten Lebensmittel teurer als in Deutschland. Auch Benzin und Tabak – ICH bin ja seit sechs Kilo Nicht-Raucher. Mir also wampe .. äh, wumpe – kosten hier mehr als bei uns und umso mehr verwundert mich die Tatsache, dass die Niederländer durch die Bank weg sehr freundlich und aufgeschlossen sind. Liegt es am Radfahren oder an den wenigen Bergen? Die rauchen einfach weniger. Egal, es ist so und es ist gut so, denn wir fühlen uns auf Anhieb sehr wohl und herzlich aufgenommen. Die Orangjes sind ein zutiefst fröhliches Volk – weil sie mit Maxima und Willem Alexander und den drei Töchtern, die alle mit A heißen, eine fröhliche Königsfamilie haben.
Trotzdem kommt es im Laufe des Tages zu einem meiner berüchtigten Frustanfälle, denn wer sich hier nicht elektrisch oder mit Körperkraft fortbewegt, tut es scheinbar mit dem Motorrad. Ich muss mich erst einmal daran gewöhnen, dass Mopeds und Mofas auf niederländischen Straßen nichts zu suchen haben und wir uns die heute ohnehin überfüllten Radwege oft mit ihnen teilen müssen.
Machen wir uns mal nichts vor, mein Schatz. Du wirst garantiert bis zum letzten Tag der Tour Schimpf und Mordio zetern, wetten? Mir persönlich sind diese Gefährte zu laut. Das schnelle Hochdrehen der Motoren und der brubbelige Sound mögen Mitsechziger ja toll finden, mich hingegen nervt es zunehmend und so kommt es wie es kommen muss: Ich werde mal wieder launisch.
Ich wusste nicht, dass ein Gebrülltes “warum?” genauso agro klingen kann wie “Verfluchte Scheisse”. Tina stoppt daraufhin unsere Karawane und füttert mich erst einmal mit Frans-Stullen, die auch sofort Wunder wirken. Offensichtlich werde ich mit zunehmendem Hunger echt unausstehlich.
Ach, was? Es liegt gar nicht an den Bromfietsen? Aber wer weiß schon, wozu dieses beidseitige Wissen in unserem Beziehungsleben noch gut ist. Meine Stimmung ist schnell wiederhergestellt und so kann auch ich mich auch endlich an den schönen niederländischen Orten erfreuen, so wie Tina es schon den ganzen Tag tut. Ja, zugegeben, diese Niederlande scheinen, zumindest nach dem ersten Fahrtag, durch und durch lebens- und liebenswert zu sein.
Und dann waren da noch diese beiden Animalfarms. Also eigentlich ganz traurig, wenn man es genau betrachtet. Aber oberflächlich besehen ist es hinreißend, die ewig lang bewimperten Augen der Rehe zu sehen und noch hinreißender finde ich die frisch von ihrem kuschelweichen Fell befreiten Alpackas, die mit ihren langen Hälsen und ebenfalls lang bewimperten Kugelaugen verzückte Seufzer in mir auslösen. Übrigens, sowohl die Bambis als auch die Alpaccas trafen wir direkt vor America. Und ich verzichte jetzt auf den Kalauer, der einem eigentlich auf der Zunge liegt, sondern protze mit Christians Wissen, das er von Frans hat: America bedeutet auf Holländisch oder Flämisch oder Mittelhochdeutsch “An der Heide”. Die Botaniker unter uns wissen, dass Heide auch Erika heißt.
Heute machen wir mehr Pause, als dass wir fahren, und so kommen wir auch erst sehr spät an unserem Campinplatz an. Ich mag unser trödeliges, entspanntes fahren, obwohl ich von Harrys und Meghans Hochzeit quasi nichts mitbekommen habe. Offensichtlich bin ich trotz der körperlichen Anstrengung ziemlich gleichgültig was internationalen Glamour-Gossip angeht. Wir reden hier immerhin von DER Adelshochzeit des Jahres. Sogar die Beckhams waren da, Elton John sowieso, und George und Amal Clooney – das immerhin habe ich mitbekommen. Hab schon dem Harry seine Mutti Diana damals beim Ja-Wort aufs Kleid geschielt.
Wir bauen das Zelt auf, lassen noch schnell einen kräftigen Regenschauer über uns ergehen und gehen zur Feier des heutigen, wirklich schönen Tages noch richtig lecker essen. Ähm… Sind wir nicht eigentlich essen gegangen, weil es zu nass war, um sich zum kochen irgendwo hinzusetzen? Und “lecker” finde ich auch ein großes Wort für einen durchschnittlichen Salat und einen frittierten Bürger an Pommes.
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