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Tag 24 – von Dishoek nach Vrouwenpolder
Heute ist es endlich soweit und ein weiterer Höhepunkt der Tour steht an: Ein Regentag!
Auch wenn es mit Mary und Robert echt lustig und gemütlich ist, aber direkt nach dem Aufstehen den Hasen dabei zu beobachten, wie er mal wieder Kinder für das gemeinsame Spaßprogramm einsammelt, ist einfach zu viel! Ich denke, Rattenfänger von Hameln, und bin schon wieder fassungslos, ob der dröhenden Musik und der vor Begeisterung kreischenden Kinder, die dem wild winkenden Hoppler hinterherrennen. Ich bin heute wieder einmal viel zu früh wach. Der Husten und die einsetzende Sonne treiben mich aus dem Zelt, und so beschließe ich, noch ein bisschen Schreiberei hinter mich zu bringen. Es ist kurz nach 6 und auf dem Campingplatz herrscht noch Ruhe und Frieden. Von den angekündigten Kinderlärm haben wir heute Nacht nichts mitbekommen, was eventuell daran lag, dass Tina während meiner gestrigen Dusche kurz bei deren Eltern um ein bisschen Ruhe gebeten hat. Mary erzählte, dass die junge Generation Camper offensichtlich keine Ahnung hat, wie man sich auf einem Campingplatz benimmt. Wie? Naja, Rücksichtnahme, ab 22 Uhr ist eben Platzruhe und dann wird geflüstert, statt lautstark die Kinderentwicklung diskutiert. Also bin ich direkt zu unseren Nachbarn – drei deutsche Elternpaare, alle um die Ende 20, Anfang 30 -, und habe sie mit gesenkter Stimme darauf aufmerksam gemacht, dass man jedes Wort im 10 Meter entfernten Zelt hört… Puh, manchmal komme ich mir vor wie Else Kling. Während ich schwer ins Schreiben vertieft bin, bemerke ich kaum, dass sich der Himmel langsam zuzieht. Erst als die ersten Tropfen aufs Display fallen, erkenne ich den Ernst der Lage und spurte zum Zelt, um einige vor dem Eingang verstreute Dinge in Sicherheit zu bringen. Kaum ist alles weg, hört auch der Regen auf. Trotzdem ist es noch immer viel zu früh, um Tina zu wecken und so nehme ich das Tablet, um einen erneuten Schreibversuch zu unternehmen. Gegen 8 beschließe ich, die Blogerei ab jetzt langweilig zu finden und schleiche vorsichtig ans Zelt, um mal nach meiner Dame zu schauen. Diese sitzt bereits zwar noch etwas zerknautscht im Zelt, hat aber übermütig gute Laune. Zumindest bis zum großen Auftritt von Koos Konijn – dem dusseligen Nervhasen. Was für die meisten Eltern hier wahrscheinlich toll ist, haben sie doch jetzt ein bisschen Zeit für sich, nachdem das verlauste Viech ihre Kinder adoptiert hat, ist für uns eher grenzwertig. So lässt auch mein Husten spontan nach und ich fühle mich superfit und unglaublich ausgeruht für die heutige Etappe. Noch eine Nacht werde ich hier auf keinen Fall verbringen!
Ein weiteres Mal kündigt sich Regen an und ich dränge darauf, das Zelt abzubauen und die Räder fahrfertig zu machen. Ist erst einmal alles in den Taschen, stört mich der Regen nicht mehr sonderlich, denn einen Unterschlupf für sich selbst findet man zum Glück fast überall. Robert und Mary laden uns derweil zu einem letzte Tee bzw. Kaffee ein und beginnen ihrerseits ebenfalls mit den Abbauarbeiten. Sie wollen heute weiter nach Domburg, wo sie einen lang ersehnten Platz auf einem Campingplatz ergattern konnten. Wir sind zum Frühstück bei Mary und Robert eingeladen, aber irgendwie kriegen wir das nicht gebacken. Zwischen Artikel-schreiben und Räder zusammenpacken passt kein entspanntes Tee- bzw. Espresso-trinken. Und dann beginnt es auch schon zu tröpfeln. Eine herzliche Verabschiedung und das Versprechen in Kontakt zu bleiben später setzen wir uns auf unsere Räder und fahren zur Ausfahrt, nur um 30 Sekunden später von einem einsetzenden Regenschauer unter das Vordach der an den Platz angeschlossenen Imbissbude gezwungen zu werden. Das hat auch einen Vorteil, können wir doch Mary und Robert beim Verlassen des Platzes eine halbe Stunde später noch einmal zuwinken. Unsere Abfahrt hat sich auf 13 Uhr verschoben, und meine gute Laune wird vom Regen weggewaschen. Als sich die ersten verzweifelten Strandbesucher ebenfalls unter dem Dach in Sicherheit bringen und es langsam aber sicher voll zu werden droht, lässt der Regen endlich soweit nach, dass wir beschließen, die Strecke in Angriff zu nehmen. Unser Glück hält auch sagenumwobene fünf Minuten an, bis der Regen mit einer ungeahnten Heftigkeit zurückkommt und wir auf einem leeren Parkplatz erst einmal die Zeltplane über unsere Köpfe ziehen müssen, um nicht binnen kürzester Zeit komplett durchnässt zu werden. Das ist zwar schon irgendwie gemütlich, aber für unsere Tour ein bisschen hinderlich.
Ab jetzt kennt das Wetter keine Gnade mehr und unterscheidet sich lediglich in der Intensität des Regens. Ein stetiger Wechsel zwischen viel und sehr viel zwingt uns während des Fahrens immer wieder dazu, zu pausieren und unseren Kleidungsvorrat anzufassen, um uns eines trockenen Shirts oder einer wärmende Jacke zu bedienen. Ich habe mal wieder etwas gefunden, um meine schlechte Laune zu verdoppeln. Die Regenjacke! Teuer bezahlt, vom gleichen Ausstatter wie unser großartiges, wunderbares Zelt und meine grandiosen Radlerhosen – VAUDE – versagt, wie eine teure Regenjacke nur versagen kann. Ich werde nass. Klitschnass. Und immer ruhiger. Zum Ausflippen ist es einfach zu ungemütlich und zu kalt. Zu allem Unglück führt uns die Karte auch noch ein wenig an der Nase herum und gibt uns keine Möglichkeit, meine Schlamperei beim morgendlichen Planen in irgendeiner Form zu kompensieren. Wir fahren im Zickzack und fliehen zwischendurch mal unter das Dach einer Tankstelle, mal unter das Vordach einer örtlichen Pflegestation. Auch auf die radreisefreundlichen Öffnungszeiten der Supermärkte ist hier kein Verlass und somit fällt eine Verpflegung für das heutige Abendessen auch ins sich inzwischen überall sammelnde Regenwasser. Zu all der Ungemütlichkeit kommt tatsächlich der scheinbar unzerstörbare Humor meines Chef-Navigators. Er ist offensichtlich krank – was er übrigens ziemlich gut runterspielen kann, sodass mir gar nicht bewusst wird, wie angeschlagen er tatsächlich ist – und trotzdem nicht verlegen um ernsthaft doofe Sprüche wie: „Nur wer mal einen Tag im Regen gefahren ist, kann von sich sagen, ein echter Reiseradler zu sein.“ Oder: „Das lässt sich prima erzählen, zuhause, in ein paar Wochen. Dann lachen wir drüber.“ Äh, ‘tschuldigung, dass mich dieser Aspekt gerade kein bisschen interessiert.
In der kleinen Stadt Serooskerke lässt das Wetter dann endlich von uns ab und wir beginnen an der Erreichbarkeit des heutigen Zieles zu zweifeln. Seit der Verabschiedung von unseren beiden Münchnern Campern sind inzwischen dreiStunden vergangen und wir haben gerade einmal 22 Kilometer geschafft. Weitere 45 Kilometer sind unser beider Meinung nach illusorisch, zumal wir dringend zumindest einen Wäschetrockner bräuchten, um die ganzen durchgeweichten Klamotten wieder irgendwie nutzbar zu machen. Also planen wir kurzerhand um und entscheiden uns, nach den guten Erfahrungen des letzten Platzes, noch einmal für eine Naturkämperei in ca. 10 Kilometern Entfernung. Einmal mehr ist es überraschend, dass sämtliche Distanzen unter 30 Kilometer wie ein Katzensprung erscheinen. Und sogar 30 Kilometer und mehr wirken nicht mehr bedrohlich oder auch nur irgendwie vorauseilend erschöpfend. Und wahrlich, es ist auch ein toller Platz, der uns nach dem Durchfahren des wunderschönen, fast mittelalterlichen Örtchens Veere erwartet. Ich möchte zum Campingplatz und dann mit trockenen Füßen zurück nach Veere. Ja, vermutlich wieder mal Touri-Nep, aber die vielen kleinen Cafés und geöffneten Geschäfte wecken eine Sehnsucht in mir, wie bislang nicht einmal auf der Fahrt. Ich sehe mich schon kleine Mitbringsel erbeuten…
Es gibt hier Natur so weit das Auge reicht, Duschen und auch ein paar Toiletten. Nur eine Waschmaschine und einen Trockener gibt es leider nicht. Aber gerade heute ist beides unerlässlich und so ziehen wir schweren Herzens wieder von dannen, um nach einem anderen Platz Ausschau zu halten. Eine Sache will ich allerdings noch wissen: Wie teuer ist diese Campingoase eigentlich? Da es hier keine klassische Rezeption gibt, sondern nur einen Automaten, an dem man seine Übernachtung buchen kann, versuche ich zumindest theoretisch einmal eine Übernachtung zu erstehen. Als der Automat von mir theoretische 37 € verlangt, falle ich fast in Ohnmacht. Dann kaufe ich lieber ein paar Kisten Krombacher und rette den Regenwald damit. Der Platz ist wirklich ein Traum. Mitten im Wald gelegen, ein Teich, der schon beinahe See ist; ein verzweigter Bachlauf, über den Holzbrücken führen; kleine Lichtungen, auf denen man sein Zelt genauso wie sein Wohnmobil stellen kann. Und dann kommt da noch dieses ziemlich alte Radler-Pärchen. Sie filmt ihn, als er auf den Platz fährt. Zwei, die mit Sicherheit seit Jahrzehnten regelmäßig mit Rad und Zelt unterwegs sind. Zu gerne hätte ich ein paar Geschichten von ihnen erfahren. Nach ein paar weiteren Versuchen, einen Campingplatz zu finden, der nicht unverschämt teuer ist, werden wir in endlich in dem kleinen, ebenfalls sehr touristischen Ort Vrouwenpolder fündig. Hier können wir für einen erschwinglichen Betrag unser Zelt aufschlagen und sowohl die Waschmachine als auch den Trockner benutzen. Der Betreiber verlangt gerade mal 22 Euro und dann ist da ja noch sein zweijähriger Schäferhund, der sich hingebungsvoll den Bauch kraulen lässt und liebevoll mein Handgelenk zwischen seine strahlend weißen Zähne nimmt und überhaupt schrecklich albern ist. Wo ein Köterkind rumrennt, da können wir uns entspannen. Trotzdem sind wir ein bisschen deprimiert. Denn dafür, dass wir gerade einmal die Halbinsel durchquert haben, haben wir insgesamt über 5 Gesamtstunden gebraucht und dabei lediglich eine Strecke von 42 Kilometern zurückgelegt. Hast du nicht gesagt, Luftlinie haben wir gerade mal 15 Kilometer überbrückt? Während wir die Wäsche waschen, kocht Tina uns aus unseren letzten nahrhaften Vorräten noch ein leckeres Abendessen und irgendwie fühle ich, dass mir die Puste ausgeht…
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