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Tag 4 – von Räbke nach Bettmar
Meistens ist es gut, dass man beim Aufstehen nicht so genau weiß, was einen den ganzen Tag über erwartet. Manchmal aber auch doof. Insbesondere dann, wenn einem der Abend eine schöne Überraschung bereiten möchte und der Ausblick auf ein Ziel motivierend wäre.
Wir können uns heute erst um halb 11 vom Campingplatz in Räbke trennen. Drei anstrengende Tage stecken uns in den Knochen und da fällt der Start heute morgen schon etwas schleppend aus. Dennoch, unsere Abbau- und Packzeit wird täglich kürzer. Mein Kaffeedurst hingegen verlangt heute am vierten Tag nach zwei Wiederholungen. Keiner von uns ist sehr begeistert von unserem Nachtdomizil und so fahren wir ohne viel Zeit zu verschwenden unter Verzicht auf Frühstück vom Platz. Prinzipiell ist es leicht zu sagen, was einen guten Campingplatz für uns Reiseradler ausmacht: Eine gerade Wiese, gerne etwas schattig. Preis-Leistung sollten stimmen, d.h. um die 15 Euro für zwei Personen in einem Zelt. Saubere und funktionale (keimfreie, d.h. ohne Schimmel) sanitäre Einrichtungen und Sitzmöglichkeiten – Tisch mit Bank ist optimal zum kochen /essen. Wenn es dann noch Waschmaschine / Trockner und eine Spülküche gibt – großartig. Aber am Ende ist das eben doch nicht alles. Denn all dies (bis auf den Tisch) war in Räbke vorhanden. Warum wir uns trotzdem nicht wohlgefühlt haben? Die Atmosphäre hat nicht gestimmt. Eine Traurigkeit, eine Art Vergessenheit, das Gefühl von längst vergangenem Glanz und verloren gegangener Lebendigkeit lagen über dem durchaus gepflegten Platz, an dem der Müllplatz täglich zwischen 9 und 9.15 Uhr geöffnet hat.
Sonne und Wind sind weiterhin gute Freunde und so lassen wir uns durch eine hügelige Landschaft Richtung Königslutter am Ems treiben. Selbst die Autofahrer sind am heutigen Montag noch relativ entspannt und so finden wir auch schnell einen Bäcker, der uns mit belegten Brötchen und mich mit einem weiteren Kaffee versorgt. Klingt ereignislos? Ist es auch. Ach, was heißt schon ereignislos. Ja, wir wurden nicht von einer Polizeistreife angehalten und unter Verdacht, eine Bank überfallen zu haben vorübergehend festgenommen. Und es gab auch keinen Streit über die Anzahl der Kaffee-, bzw. Rauch- bzw. Zuckerpausen. Aber wir hatten viel Zeit, unseren Gedanken nachzuhängen. Und das, so viel kann ich verraten, ohne zu persönlich zu werden, ist schon echt ereignisreich.
So schön die niedersächsische Landschaft auch ist, sehr aufregend ist die Tour über die kleinen idyllischen Dörfer nicht. Lediglich die Kleinstädte bieten ein bisschen Aufregung. Zum Beispiel als uns in Königslutter ein Autofahrer beim Abbiegen an einer Kreuzung aufmerksam begutachtet, während er drei andere Reiseradler, die rechts von ihm die Kreuzzug überqueren wollen, fast überfährt. Ob es an uns liegt, dass der gute Mann unaufmerksam ist, weiß ich nicht. In jedem Fall ist es für alle Beteiligten eine Schrecksekunde. Außer für den Abbieger, er scheint von dem Trubel nichts mitbekommen zu haben. Ha! Und diese Geschichte hat uns die Möglichkeit gegeben, endlich mal wieder lang und breit und lautstark und unflätig über Autofahrer im Allgemeinen und SUV-Fahrer im Besonderen zu führen. Hitzig zu führen, das möchte ich noch betonen.
Der Rest ist typischer Navigationsmist. Meine Karte ist für Städte nicht geeignet, die Ausschilderung von Radwegzielen oftmals schwierig, und mein Telefon, welches ich in den Städten zur Routenfindung benutze, bei dem Straßenlärm einfach viel zu leise. Voll dankbarer Naivität verlasse ich mich ja auf meinen routinierten Routenfinder. Und verfluche mindestens einmal täglich die Motorradkarte, die zu ungenau ist und das Navi, das sadistische Freude einprogrammiert bekommen haben muss. Warum sonst führt es uns gerne mal durch die allerübelsten Wohngegenden? Und wenn ich übel sage, meine ich unfassbare Rama-Werbungs-Idylle, die von lächerlicher Truman-Show-Qualität ist. Aber ich steigere mich da schon wieder in was rein, was ja durchaus seine Berechtigung hat.
In Braunschweig fragen wir uns schließlich nach einer Post durch, um uns endlich von diversem überflüssigem Gepäck zu trennen. Das geht besser als erwartet. Wir müssen zum Bahnhof und es klappt schnell und unkompliziert. Hier möchte ich eine persönliche Anmerkung an Tinas (Bundes)-Landsleute machen. Sie sind alle sehr freundlich und auch wenn kaum einer eine offene Neugier für uns entwickelt, scheinen sie durchaus interessiert an uns. Ach ja? Ich hatte nicht das Gefühl, dass uns überhaupt irgendjemand wahr genommen hat. Aber das Paket nach Hause schicken ist schon eine innerliche Ohrfeige: Zuhause hatte ich eine Packliste, die ich während des dreitägigen Packprozesses immer weiter zusammengestrichen habe. Ich war am Ende echt stolz auf das kleine Gepäck. Und nun hat sich rausgestellt, dass es immer noch zwei T-Shirts, eine Hose, drei Paar Strümpfe, ein Kleid (ich fahre nur im Kleid. Geh mir weg mit unvorteilhafter und teurer Funktionswäsche), eine dickere Windjacke, zwei Tupperdosen und einmal Feuchttücher zu viel sind.
Als wir Braunschweig fast sieben Gepäckkilo leichter verlassen, bin zumindest ich ziemlich beeindruckt von der Stadt, die wesentlich mehr Grün als Braun zu bieten hat. Komisch, ich habe immer gedacht, Braunschweig wäre eine graue Industriestadt. In Wahrheit ist sie durchaus hübsch und auch ein bisschen quirlig.
Wir fahren durchs Grüne weiter nach Vechelde, wo wir uns mit den Lebensmitteln für das Abendessen eindecken und beenden den sportlichen Teil unseres Tages in Bettmar, einem 1000 Seelendorf. Hier erwartet uns einer der besten Campingplätze der bisherigen Tour. Wir wählen einen wundervollen Platz direkt am See, der für die nächsten beiden Tage unser Heim sein wird. Klingt ereignislos? War es auch.
Kommt immer drauf an, welche Maßstäbe man ansetzt. Es war ein relativ entspannter, freundlicher und friedlicher Tag. Beinahe schon entspannend. Ich mochte ihn.
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