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Tag 7- von Arnum nach Rehburg-Loccum
Es scheint uns zu verfolgen: An einem Tag ist der Campingplatz hervorragend und am nächsten echt schwierig.
Anrum hat uns gezeigt, wie Camping scheinbar heutzutage verstanden wird, und wie wir es auf keinen Fall haben möchten. Wir haben viel gesprochen, sind uns einig: Dauercamper sind an sich in Ordnung. Aber eine maximale Gewinnausbeute an Grund und Boden wie es in Anrum betrieben wird, ist genauso schwachsinnig wie riesige Hotelkomplexe an der Mittelmeerküste. Sowohl die Umwelt als auch die Menschen verlieren an Ursprünglichkeit und werden einfach zu einer grauen Masse. Es ist irgendwie ein bisschen wie zu Hause, wo immer mehr gut betuchte, großstadtmüde Menschen Häuser kaufen und sich so in einer ruhigen Gegend mit netter Bevölkerung eine neue Heimat schaffen wollen. Aber es sind leider zu viele von diesen ich-hab-das-Geld-um-mir-zu-kaufen-was-ich-will-Menschen und diese verdrängen Stück für Stück die ursprüngliche, die nette Bevölkerung. Letztendlich wohnen die Geldsäcke dann doch wieder nur unter Ihresgleichen und sind wieder unglücklich. Für die, die weichen müssen, bleibt dann oft nur der Neuanfang. Bis dann die mit dem Geld wieder wie Heuschrecken über das neue Stückchen ruhige Gegend herfallen. Campingplätze, die jeden Quadratmeter Land vermarkten, verlieren irgendwann eben das Flair eines Campingplatzes und somit ihr Tagesgeschäft.
Es ist sicherlich verklärend von den guten alten Zeiten zu sprechen. Aber ich bin quasi auf einem Campingplatz aufgewachsen. Ich erinnere mich absolut lebhaft an unser Sommerdomizil im Fürstental, am hessischen Edersee. Die Wiesen waren schräg und blieben schräg. Es wurden Birken gepflanzt, weil die schnell wachsen und entsprechend schnell Schatten spenden. Unsere Väter bauten Stege, von denen wir ins Wasser hüpften. Am Abend saßen wir unten am Ufer am Lagerfeuer. Niemand parkte sein Auto neben seinem eingebunkerten Wohnwagen, in den Vorzelten standen weder Kühlschränke noch Spülmaschinen oder gar Flachbildschirme. Wir holten für unsere Nachbarn mit Brötchen, spielten Volleyball oder veranstalteten Segel- und Surfregatten, paddelten über den See und wenn es regnete, lagen wir in unseren Zelten und lasen oder kniffelten mit unseren Eltern im Wohnwagen. Es war ein freundliches, fröhliches, offenes Miteinander. Ich fürchte allerdings, dass mein Kindheitsparadies inzwischen auch eine Menge von seiner Unschuld verloren haben könnte. Es wird vermutlich Zeit, das mal zu überprüfen.
Eine blöde Serie in meiner Planungswut sollte uns allerdings für diesen Tag wieder einmal zu einem fantastischen Campingplatz führen und dass, weil keiner von uns bereit war, noch einmal so eine Abzocknummer zu akzeptieren. Aber vorerst die Geschichte, die uns zur Geschichte geführt hat.
Wir verschwinden morgens früh und wieder ohne Frühstück vom Campingplatz. Das Ziel der heutigen Etappe ist ein Campingplatz in Mardorf am Steinhuder Meer. Obwohl Niedersächsin, war selbst Tina noch nie dort, hat aber Freunde, die davon schwärmen. Also bin ich ein bisschen Co-aufgeregt ob der Aussicht auf einen tollen Campingplatz.
Das Einzige, was ich nicht berechnet hatte, war der Vatertag. Klar, im Vorfeld wussten wir schon, dass es ein Feiertag ist und haben uns daher auch mit allen Nötigem eingedeckt, um diesen Tag zu überstehen. Aber: Vatertag heißt eben auch ein darauffolgender Brückentag. Selbstredend, dass dieser Tag gern als verlängertes Wochenende genutzt wird. Gerade bei Gelegenheits-Campern ist dies doch der erste offizielle Tag der Saison. Diesmal gibt es dann leider auch kein Frühstück beim Bäcker, sondern an der Tankstelle mit zwei noch warmen und wirklich ausgezeichneten Brötchen. Gut gestärkt, sehen wir uns bereit für die Durchfahrt von Hannover. Die ersten Traktoren mit trinkstarken und gut gelaunten Männern ziehen bereits in den ersten Minuten an uns vorbei, sind überraschenderweise kein bisschen nervig. Ich habe mich nur den ganzen Tag gefragt, unter welchen Umständen der Fahrer bestimmt wird. Was bringt diesen armen Kerl dazu, den ganzen Tag seine besoffenen Kumpel durch die Gegend zu kutschieren? Ich fürchte, die auserwählten Fahrer haben viele Leichen in ihren Kellern.
In Hannover weichen die zahlreichen Träckergespanne dann hauptsächlich Jugendgruppen mit Bollerwagen, die auch ohne Frage sehr lustig und kein bisschen aggressiv sind. Als wir auf den Leineradweg entlangfahren, spielt aus einem der soundtechnisch modifizierten Gefährte sogar ein uns gut bekanntes Salsa-Lied. Dispositio – ich LIEBE diesen Song. Und ein bisschen hatte ich gehofft, dass er unser Tour-Song wird. Ich fordere Christian zum tanzen auf und obwohl er sich für einen Moment geniert, hat er genauso viel Spaß wie ich. Ich wusste nicht, dass ich in Fahrradschuhen Salsa tanzen kann. Für unsere kleine Tanzeinlage ernten wir Beifall und Jubelrufe. Als wir durch Seelze fahren, kommt Tina auf die Idee, den in Hannover lebenden besten Freund ihres verstorbenen Vaters zu besuchen. Kurzentschlossen ruft sie bei ihm an und wir werden herzlich von ihm und seiner Frau eingeladen. Ein klitzekleiner Umweg, der mich zu zwei wunderbaren und unglaublich gastfreundlichen Menschen führt, die mir ohne Tina vorenthalten worden wären. Rolf und Edith kenne ich seit über 40 Jahren und auch wenn wir uns nur selten sehen – das letzte Mal auf der Beerdigung meines Vaters vor eineinhalb Jahren -, sind sie wichtige Menschen in meinem Leben. Nicht nur, weil sie quasi mit die engste Verbindung zu meinem Vater sind. ¨Oh, ihr seid mit dem Rad da, dann sage ich den Tisch beim Italiener wieder ab und wir kochen etwas!¨ Rolf ist kein Mensch großer Reden, er macht einfach und so werden wir nach einer kurzen Wohnungsführung köstlich mit Nudeln und, eine Neuheit für mich, gebratenem Fenchel bewirtet. Wir wären gern noch eine Weile geblieben und hätten sicher auch den ganzen Nachmittag verquatschen können. Aber leider sind es noch 30 Kilometer bis zum Steinhuder Meer. Daher müssen wir uns nach zwei Stunden und damit viel zu schnell verabschieden. Vielleicht hätten wir doch noch ein bisschen bleiben sollen, denn plötzlich hat sich der Wind gegen uns verschworen und bläst uns kräftig entgegen. Ein Omen auf das, was uns am Steinhuder Meer erwarten sollte?
Der auserwählte Platz liegt im Nordwesten des Sees und so schlägt das Navi eine Route über die östliche Küste vor. Es sind zwar wieder die altbekannten, wunderschönen, niedersächsischen Ortschaften, die da der nicht sonderlich hübschen Silhouette von Hannover einen Platz abringen, aber vom eigentlichen See haben wir nichts gesehen. Das muss man erst mal stemmen: Zum Steinhuder Meer fahren, ohne einen Tropfen Wasser gesehen zu haben.) Als sich 12 Kilometer vor dem Campingplatz auch noch ein Wolkenbruch ankündigt, legen wir in weiser Voraussicht schon einmal die Regensachen an und sicheren die Packtaschen. Regen gibt es dann aber auch im Norden des Steinhuder Meeres nicht, genau wie wir auch weiterhin kein Wasser zu Gesicht bekommen sollten. Der nördliche Weg führt aber durch ein Moorgebiet, was nicht besser zur vom Wetter verströmenden Stimmung hätte passen können. Und so kommen wir dann um kurz nach 16:30 Uhr an dem Platz an, der uns einen nachhaltigen Eindruck von Wirtschaftscamping vermittelt. Von Außen macht er einen guten Eindruck, wir bekommen aber bereits an der Anmeldung unsere Abreibung, als man von uns den Unkostenbeitrag für drei Tage verlangt. Nur mal so: Ein Zelt, zwei Personen, eine Nacht, sollte 51 – in Worten einundfünfzig Euro kosten! Hallo?!?! Gehts eigentlich noch? Zeltplätze werden dort nämlich über Himmelfahrt und Pfingsten nur für das gesamte Wochenende vergeben. Also entweder 3 Tage zahlen oder wieder abziehen. Als wir der mittelalten Rezeptionsdame erklären, dass uns das zu teuer ist, erwidert sie mit einer Mischung aus Hohn und Mitleid, dass wir es gerne wo anders probieren können, es aber überall genauso teuer ist und es überall so voll sein wird.
Nach dem Reinfall mit Anrum verlassen wir die Rezeption mit einiger Wut im Bauch. Im Übrigen: ¨voll¨ war dieser Campingplatz keineswegs. Gut gefüllt ja, aber voll auf keinen Fall. Wir sind beide bockig und suchen eine Alternative, die uns noch weitere 20 Kilometer kosten soll. Dazu müssen wir durch Mardorf, ein kleines touristisches Örtchen, in dem die Leute offensichtlich jeden zweiten Tag einen anderen Markt veranstalten. Heute ist der Dorf- und Bauernmarkt dran und so können wir wenigsten noch eine Waffel, einen Kaffee und ein paar Stück Kuchen ergattern. Und haben auch noch was Gutes getan: Der Erlös vom Kuchen ging komplett an die Konfirmandengruppe. Habe nix mit Kirche am Hut – aber solche Sachen unterstütze ich aus Nostalgiegründen gerne.So gestärkt, aber dennoch demotiviert geht es auf die heutige Schlussetappe nach Münchenhagen, einem Zeltplatz, der mit direktem Anschluss an das Dino-Land auch wieder nichts Gutes verheißt. In Gedanken male ich mir schon Kinderterrorgruppen aus, die einen mit einem überforderten Studenten ausgestopften Stoffdino drangsalierten. Aber Pech gehabt, denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Mitten im Tal gelegen, lag einer der großartigsten Campingplätze unserer bisherigen Tour. Pferde, Hunde, nette Camper und Birgit, die Herrin des Platzes heißen uns herzlich willkommen und ihr Mann Harry bekocht uns in seiner Kneipe ¨Harry`s Wild es Eck¨ wie bei Mutti. Aus der Raupe mit Namen ¨miese Erwartung¨ entpuppte sich ein wahrer Schmetterling mit Namen ¨Erlengrund¨. Ich weiß übrigens gar nicht, warum meine Tina immer schimpft, dass ich nichts von Romantik verstehe – kann ich doch! Zum Thema Romantik könnte an dieser Stelle vielleicht vorsichtig angemerkt werden, dass sie eben immer sehr unerwartet kommt. Und dann bin ich so überfordert… ok. Keine weiteren Beziehungsinterna. Was mein Herzensmann aber vergessen hat zu erwähnen: Vor der Belohnung hat der liebe Gott (oder wer auch immer) die Strapaze gesetzt. Und die waren in diesem speziellen Fall enorm und in Form böser Steigungen, und ich bin ein klitzekleines bisschen empört, hier kein Wort darüber zu lesen! Der Weg ins verwunschene Paradies war buchstäblich steil und steinig. Das sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt. Und wären die Duschen ein bisschen moderner gewesen, Erlengrund hätte Bettmar vorläufig vom ersten Platz verdrängt.
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